Die Wich­tig­keit der Langeweile

“Der Mensch braucht ani­ma­ti­ons­freie Pha­sen, um sich wei­ter­zu­ent­wickeln, das ist bei Kin­dern nicht anders als bei Erwach­se­nen, wes­halb man dank­bar sein muss, dass der Mensch das Smart­pho­ne lan­ge nach dem Rad erfun­den hat.”

(Micha­el Neudecker)

„Mir ist lang­wei­lig!“ oder: „Ich weiss nicht, was ich machen soll!“ sind Aus­sa­gen von Kin­dern, die eini­ge Eltern schnell unter Druck set­zen und zum Schwit­zen brin­gen. Für sie ist die­se Situa­ti­on unan­ge­nehm, denn sie den­ken, ihr Kind lei­det unter die­sem Zustand und des­halb muss die­ser so schnell wie mög­lich mit von ihnen vor­ge­ge­be­nen Akti­vi­tä­ten besei­tigt wer­den. Doch Eltern sind Eltern und kei­ne Enter­tai­ner und die Lan­ge­wei­le gehört zum Ent­wick­lungs­pro­zess eines Kin­des dazu, ist sogar eine wich­ti­ge Trieb­fe­der zur För­de­rung von Krea­ti­vi­tät und Selb­stän­dig­keit. Die Kin­der, die früh­zei­tig ler­nen ihre Lan­ge­wei­le aus­zu­hal­ten, regen ihr Gehirn dazu an, erfin­de­risch zu sein und aus sich selbst her­aus für neue Beschäf­ti­gungs­ideen zu sor­gen. Sie erken­nen so ihre eige­nen Bedürf­nis­se und wer­den selbst­stän­dig aktiv, die­se zu befrie­di­gen. Lan­ge­wei­le ist sozu­sa­gen Motor für neue Spiel­ideen, sie bringt die Syn­ap­sen auf der Suche nach Ablen­kung so rich­tig in Schwung. Eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung ist, dass das Kind Frei­zeit hat, denn wenn jede Minu­te des Tages mit Akti­vi­tä­ten ver­plant ist, damit das Kind nicht in den Lan­ge­wei­le-Modus ver­fällt, fehlt letzt­end­lich die Zeit, sich zu lang­wei­len und somit über sich selbst und die eige­ne Beschäf­ti­gung nach­zu­den­ken. Eltern, die bei jedem «Mir ist so lang­wei­lig» Sofort­mass­nah­men zur Bespas­sung ein­lei­ten, schaf­fen sich lang­fri­stig gese­hen nur das Pro­blem, dass das Kind eben jenes Ver­hal­tens­mu­ster immer wie­der­holt. Es merkt sich die Glei­chung “Mir ist so lang­wei­lig = Ich wer­de bespasst”.

Was dar­aus folgt, ist nun nicht, das Kind mit sei­ner Lan­ge­wei­le für ewig allein zu las­sen. Unter­stüt­zen sie es gele­gent­lich mit einer Art Hil­fe zur Selbst­hil­fe, in Form von klei­nen Anre­gun­gen, die das Kind selbst wei­ter­ent­wickeln kann. Schaf­fen sie ihrem Kind eine anre­gen­de Umge­bung, in der es sich mit Spiel­sa­chen und Gegen­stän­den beschäf­ti­gen kann, die Wie­der­ho­lun­gen und Ver­än­de­run­gen zulas­sen. Wie­der­ho­lun­gen geben dem Kind Sicher­heit und ermög­li­chen, die Welt zu begrei­fen. Ver­än­de­run­gen regen die Neu­gier an und hel­fen, kom­ple­xe­re Zusam­men­hän­ge zu ver­ste­hen. Auch das Ein­be­zie­hen in die häus­li­che Arbeit und/oder die Arbeit im Gar­ten erwei­tern das Beschäf­ti­gungs­feld und regen zu neu­en Ent­deckun­gen an. Und ganz wich­tig sind Rück­mel­dun­gen in Form von Lob, denn somit fühlt sich das Kind wich­tig und wert­voll und wird sel­te­ner über Lan­ge­wei­le klagen.

Rita Wol­ter, Mont­esso­ri­päd­ago­gin, Kin­der­gar­ten Ennetbaden

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